Viele kennen das: Man trifft auf Hindernisse, erlebt Rückschläge, streitet sich oder stößt ganz einfach auf ein Problem. Häufig sehen wir uns dann als erstes als Opfer. Wir fühlen uns machtlos und beschuldigen andere Personen für unser Scheitern.
Wir rechtfertigen uns. Erzählen eine Geschichte, die erklärt, warum es aufgrund der vielen Umstände nicht anders möglich war oder ist.
Wenn wir merken, dass wir nicht nur das Opfer, sondern auch selber schuld sind, beginnen wir uns zu schämen. Selbstzweifel ziehen uns dann (noch weiter) runter.
Wir haben das Gefühl, keine Wahl zu haben und fühlen uns obendrein dazu verpflichtet, etwas zu tun, was wir eigentlich nicht tun wollen.
Vor ca. 1,5 Jahren hat der Trainer während meiner Scrum Master Zertifizierung den Responsibility Process® vorgestellt. Seitdem habe ich das Buch „The Responsibility Process: Wie Sie sich selbst und andere wirkungsvoll führen und coachen“ gelesen und nutze nun immer wieder Elemente daraus, um mich selbst zu reflektieren.
Die Kenntnis über den sehr menschlichen mentalen Ablauf hilft mir dabei, mich selbst zu ertappen. Meine ersten beiden Erfolge sind, dass ich die Stufen des „Beschuldigen“ und „Rechtfertigen“ inzwischen deutlich schneller hinter mir lasse oder manchmal direkt überspringe. Stattdessen merke ich, dass ich häufig im Zustand des Schämens hängen bleibe. Ich suche den Fehler bei mir. Gerade in Situationen, in denen ich mich von anderen ungerecht behandelt fühle, rede ich mir ein, dass das eine Reaktion auf mein Verhalten ihm gegenüber ist und ziehe nicht in Betracht, dass es eine Aktion – also ein Angriff seinerseits – sein könnte. Dadurch fühle ich mich schuldig und verantwortlich. Und letztlich macht mich dies auch wütend. Wütend auf mich, dass ich mir Vorwürfe mache, obwohl ich mir bei genauerer Betrachtung nichts vorzuwerfen habe.
Das klingt erstmal nicht besonders berauschend. Ist es auch nicht. Aber genau dieses bewusste Ertappen hilft mir dabei, zu überlegen, welche Fähigkeiten ich benötige, um das Problem zu lösen und so die Verantwortung für mein Handeln zu übernehmen.

Mir hilft es, mir Zeit zu nehmen und die Situation von außen zu betrachten. Ich nenne das auch gerne „Herauszoomen“. Mit etwas Abstand die Optionen zu betrachten und zum Beispiel mit einer Person zu sprechen. Das führt dazu, dass ich am Ende bereit bin, die Verantwortung für meine Entscheidung oder mein Handeln zu übernehmen. Früher habe ich mir diese Zeit häufig nicht genommen und wenn dann ein Problem hoch ploppte, wollte ich mich erst recht nicht mit der Situation auseinandersetzen.
Das nächste Level
Um nicht erst vor einem Problem zu stehen und dann die Verantwortung übernehmen zu müssen, habe ich begonnen mich generell mit den drei Haltungs-Fragen des Responsibility Prozesses zu beschäftigen:
- Mit welcher (inneren) Haltung möchte ich Aufgaben erledigen?
- Welche Wirkung möchte ich erzielen?
- Welche Absicht habe ich?
Da ich die Fragen nicht ad hoc beantworten konnte, habe ich begonnen, ein Responsibility Journal zu schreiben. Inzwischen habe ich mir ein Poster erstellt, auf dem ich die drei Punkte für mich allgemein beantwortet habe und habe es mir in meinem Büro zuhause aufgehängt. Wenn ich jetzt getriggert werde oder einfach mal einen schlechten Tag habe, schaue ich auf das Poster, habe wieder präsent, auf welche Weise ich Verantwortung übernehmen will und gewinne meine Selbstsicherheit zurück.
Versuch die Fragen gerne mal für Dich zu beantworten. Ich hoffe, sie geben Dir auch Orientierung, wenn Du vor einem Problem stehst oder einen inneren Kompass benötigst.
Mach dich groß. Mach dich stark. Mach dich frei.
P.S.: Meine Antworten auf die Fragen:
Mit welcher (inneren) Haltung möchte ich Aufgaben erledigen?
- Ich möchte gute Lösungen finden, die als bzw. im Team umgesetzt werden können.
- Ich möchte optimistisch an Aufgaben herangehen, um kreative Lösungen zu finden.
- Ich möchte mich gut vorbereiten, um strukturiert an Aufgaben heranzugehen.
- Ich möchte mich mit einer offenen und positiven Haltung neuen Herausforderungen stellen.
Welche Wirkung möchte ich erzielen?
- Andere sollen sich in meiner Umgebung wohlfühlen.
- Sie sollen sie selbst sein und sich nicht verstellen.
- Sie sollen sich trauen, ihre Träume zu verwirklichen.
- Ich möchte andere ermutigen und ihnen Angst nehmen.
- Ich möchte ihnen dabei helfen, Alternativen zu suchen und zu finden.
Welche Absicht habe ich?
- Ich möchte anderen helfen und ein Vorbild sein.
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